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Liebe Leserin, lieber Leser,

Turbulenzen in der Boombranche. Aktuell kommt es genauso, wie viele Branchenexpert*innen es vorhergesagt haben: Die Kombination aus übervollen Warenlagern und Kaufzurückhaltung der Konsument*innen bringt etliche Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Eine Krise mit Ansage.
 
Interessant ist in dieser Lage, welche Firmen es dieser Tage getroffen hat, geben Insolvenzen doch häufig Hinweise auf sich ändernde Strukturen am Markt und auf das Funktionieren bestimmter Konzepte und Strategien. Insofern lohnt sich eine genaue Analyse der jeweiligen Ursachen des Scheiterns.

Auch wenn viele davon ausgehen, dass sich die Situation im Laufe des nächsten Jahres wieder etwas entspannt, muss diese Durststrecke erst einmal durchgestanden werden. Das sehen auch die Interviewpartner*innen unserer Rubrik „3 Fragen an …“ so. Diesmal im Fokus: zwei Profis aus dem stationären Fachhandel. Dort begann die Lernkurve bereits mit den staatlich verordneten Geschäftsschließungen beim ersten Corona-Lockdown. 

Eine anregende Lektüre unserer November-Ausgabe von Fahrradwirtschaft Insight wünscht Ihnen

Ihr
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Albert Herresthal
Informationsdienst Fahrradwirtschaft
Die Themen dieser Ausgabe:
  1. Fahrradmarkt: Insolvenzen, Geschäftsaufgaben, neue Investoren
  2. Fahrradwirtschaft: Die "Big Seven" des Fahrradhandels
  3. Diensträder: Wachstumskurs mit Schattenseiten
  4. Reform des StVG: Reaktionen aus Fahrradbranche und Verbänden
  5. Initiative der EU-Kommission: Radverkehrserklärung der EU vorgestellt
  6. Unsere europäischen Nachbarn: Marktentwicklung Niederlande
  7. IFW exklusiv: 3 Fragen an ... Andrea Groll und Jürgen Fuchs
  8. Kurzmeldungen
  9. Termine
VanMoof

Fahrradmarkt:
Insolvenzen, Geschäftsaufgaben, neue Investoren

In den letzten Monaten gab es einige überraschende Insolvenzen bekannter Player im Fahrradmarkt. Schon im Juli ging der niederländischen E-Bike-Hersteller VanMoof in die Insolvenz. Problematisch ist hier, dass die Funktionalität aller im Umlauf befindlichen Fahrräder von dem Server des Unternehmens abhängt. Weiter haben die Räder viele Spezialteile, die sonst auf dem Markt nicht erhältlich sind. Damit betrifft die Insolvenz nicht nur die 700 Beschäftigten und die Zulieferer des stark designorientierten Unternehmens, sondern auch alle Kunden der letzten Jahre. VanMoof war auch auf dem deutschen Markt präsent und betrieb u.a. einen eigenen Store in Berlin.
 
Überraschend kam für viele Ende Oktober die Zahlungsunfähigkeit des Onlinehändlers Internetstores (Stuttgart), u.a. Betreiber des langjährig bekannten Portals „fahrrad.de“ und auch von Brügelmann für den Rennsport. Ausgelöst wurden die Schwierigkeiten durch die Muttergesellschaft, den Finanzinvestor Signa Sport United. Dabei galt der Internethandel in der Corona-Krise noch als einer der großen Gewinner. Internetstores ist in verschiedenen Branchen aktiv, wobei jedoch das Fahrradsegment mit rund 63% am Gesamtumsatz in der Größenordnung von 600 Mio. Euro dominierend ist. Jedes dritte verkaufte Fahrrad war eine Eigenmarke (z.B. Ortler). Fahrrad.de betreibt in Deutschland auch stationäre Shops in sechs Großstädten.
 
Von der aktuellen wirtschaftlichen Situation ist der Onlinehandel besonders betroffen. So gingen die Umsätze in den ersten drei Quartalen 2023 gegenüber dem Vorjahr um 13,7% zurück. Damit lagen sie wieder auf dem Niveau des Vergleichszeitraums 2019, also vor der Corona-Zeit. Das börsennotierte E-Commerce Unternehmen bike24, das im vergangenen Jahr noch einen Umsatz von 262 Millionen Euro erzielte, hat soeben seine Umsatzerwartungen für 2023 deutlich reduziert und erwartet nun einen Rückgang um 11-16%. 

Manche wirtschaftlichen Schieflagen finden auch ein glückliches Ende. So rutschte der deutsche Hersteller von Fahrradhelmen KED (Freiberg) Ende August in die Insolvenz, wurde nun aber von einem Privatinvestor übernommen. Alle Arbeitsplätze sollen dabei erhalten bleiben und die Produktion wird fortgesetzt.
Studie Fahrradwirtschaft





Fahrradwirtschaft:
Die "Big Seven" des Fahrradhandels

Der kleine Fahrradladen um die Ecke? Ja, es gibt ihn noch, glücklicherweise, denn Radfahrende brauchen eine Nahversorgung für Services an ihrem Fahrrad oder E-Bike. Daneben gibt es aber auch sieben richtig große Ketten, die dreistellige Millionenumsätze pro Jahr realisieren.
Der IFW berichtet regelmäßig über die jährliche Umsatzsteuerstatistik, die über die Anzahl und Umsatzgrößen der stationären Fahrradgeschäfte in Deutschland Auskunft erteilt. Nun hat das Branchenmagazin Velobiz.de die „Big Seven“ der Handelsgeschäfte genauer portraitiert und gibt zu den Unternehmen differenzierte Daten.

Danach gehört das Bielefelder Unternehmen Lucky Bike mit 36 Filialen wohl zu den umsatzstärksten Fahrradhandelsketten in Deutschland. Sechs weitere Verkaufsstellen sind bis Ende 2024 geplant. Auch das Unternehmen B.O.C. hat mit aktuell 44 Filialen eine große Bedeutung. Hier sind 1.300 Menschen beschäftigt. Zu den ganz Großen wird auch ROSE Bikes gezählt, ein Unternehmen, dass schon früh als Versandhändler aktiv war, sich inzwischen aber auch als Fahrradhersteller einen Namen gemacht hat und mehrere stationäre Fachgeschäfte in Deutschland hat. Über Kooperationspartner ist ROSE auch in der Schweiz präsent.

Passend zum Thema gibt es zudem eine aktuelle Branchenstudie der westfälischen Hochschule Gelsenkirchen mit dem Fokus auf die Arbeitsplätze in der Branche. Hier zeigt sich, dass seit 2019 die Zahl der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe insgesamt um 3% zurückgegangen ist, während sich die Fahrradbranche über einen Zuwachs von rund 16% binnen vier Jahren freuen kann. Die Studie des Instituts für Arbeit und Technik (IAT) können Sie hier herunterladen. 

Fahrt zur Arbeit

Diensträder:
Wachstumskurs mit Schattenseiten

Diensträder sind sehr populär und ein Wachstumstreiber der Fahrradwirtschaft. Steuerrechtlich angelehnt an die Dienstwagen-Regelungen, ist es seit vielen Jahren möglich, analog vom Arbeitgeber auch ein Dienstfahrrad zu erhalten. Nach anfänglichem Widerstand von Gewerkschaften wegen der mit dem Leasing verbundenen Entgeltumwandlung und tarifrechtlichen Hürden bei öffentlichen Arbeitgebern befindet sich das Dienstrad inzwischen auf dem Durchmarsch. Allein seit dem Frühjahr 2023 wurde das Dienstrad-Leasing zusätzlich für Landesangestellte des Saarlandes sowie für Beamte und Richter in Niedersachsen ermöglicht. Auch Tarifbeschäftigte der Metall- und Elektroindustrie in Bayern (845.000 Menschen) gehören jetzt zum Kreis der Berechtigten.

Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland jedes dritte verkaufte E-Bike ein Leasingrad ist. Weit über 100.000 Unternehmen in Deutschland bieten Dienstrad-Leasing an, darunter 70% der DAX-Konzerne. Tendenz steigend. Insbesondere hochpreisige Fahrräder und E-Bikes werden geleast. Das ist der Vorteil des Konzepts für die Fahrradbranche: Leasingkunden achten deutlich mehr auf Qualität, weil die Finanzierung langfristig abläuft. Da gönnt man sich schon mal was.

Aktuell gibt es eine zweistellige Zahl von Leasinggesellschaften, wovon etwa acht bis zehn größere wirtschaftliche Bedeutung haben. Eine Tabelle mit 15 Anbietern, bestellbar beim VSF, zeigt die sehr unterschiedlichen Bedingungen und Provisionen der verschiedenen Firmen. Nachdem zuletzt immer mehr Unternehmen auf den Fahrrad-Leasing-Markt gekommen waren, wird von Expert*innen mittlerweile für die nächsten Jahre eher eine Konsolidierung erwartet und es dürften auch wieder Anbieter vom Markt verschwinden. (Mehr)

So positiv sich das Fahrradleasing auf den Gesamtumsatz der Fahrradbranche auswirken mag, so gibt es auch Schattenseiten: Die Marge, die der Fachhandel zum Erbringen seiner Dienstleistungen benötigt, ist meist geringer als bei Fahrradverkäufen ohne Leasing. Hinzu kommt der oft hohe bürokratische Aufwand bei der Abwicklung, zumal jeder Leasingpartner hier eigene Vorgaben macht. Ein weiterer Punkt ist die Abhängigkeit zu den Gesellschaften, in die sich Fachhändler*innen bei intensiver Zusammenarbeit begeben, denn die Konditionen können einseitig jederzeit geändert werden. Ein grundsätzlicher Nachteil für Beschäftigte bei der Inanspruchnahme des Fahrradleasing per Gehaltsumwandlung liegt in später (geringfügig) niedrigeren Rentenansprüchen und einer Schwächung der Sozialversicherungen. Nach mehrheitlicher Bewertung der Fahrradbranche und ihrer Kund*innen überwiegen beim Leasing jedoch die individuellen und gesellschaftlichen Benefits durch die finanziellen und gesundheitlichen Vorteile.
StVG





Reform des StVG:
Reaktionen aus Fahrradbranche und Verbänden

Eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) stand bereits als Vorhaben im Koalitionsvertrag der Ampelparteien – jetzt wurde sie mit der Verabschiedung am 20. Oktober durch den Bundestag konkret. Auch eine angepasste StVO ist auf den Weg, beide müssen noch vom Bundesrat beschlossen werden.

Mit der Reform des StVG sollen die Kommunen mehr Spielräume erhalten, verkehrliche Regelungen entsprechend der konkreten Situationen vor Ort zu treffen. Der entscheidende Punkt der Reform besteht darin, dass dem bisherigen StVG-Oberziel, der „Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs“ weitere Ziele zur Seite gestellt werden. Klima-, Umwelt-, Gesundheitsschutz sind nun ebenso Ziele wie die städtebauliche Entwicklung. Dies war eine langjährige Forderung aus der Fahrradbranche, aber auch aus Umweltverbänden und von kommunalen Akteuren.

Nach Meinung der meisten Kritiker des alten StVG ist die Reform in jedem Fall ein deutlicher „Schritt in die richtige Richtung“, der vielen allerdings nicht weit genug geht, weil auch nach diesem Gesetz beispielsweise ein flächendeckendes innerörtliches Tempo-30 nicht möglich wäre. Der wesentliche Knackpunkt dürfte auch sein, dass nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob alle neu definierten Ziele des Gesetzes gleichwertig nebeneinander stehen, oder ob die „Flüssigkeit des Verkehrs“ in jedem Fall gewährleistet sein muss. Entsprechend unterschiedlich fallen die Reaktionen aus. 

Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) begrüßt das nun beschlossene Gesetz ausdrücklich, hätte sich aber noch eine Verankerung der Vision Zero im Gesetz gewünscht. Auch der Branchenverband Zukunft Fahrrad sieht die Reform positiv und nennt sie einen „Meilenstein für die Gestaltung lebenswerter Städte und die Steigerung der Attraktivität aktiver Mobilität“. Die Agora Verkehrswende weist darauf hin, wie wichtig nun die Ausgestaltung der StVO ist, um Eindeutigkeit herzustellen. In diese Richtung spricht auch die kommunale Initiative Lebenswerte Städte, der aktuell 978 Städte und Kommunen angehören, und die sich für mehr Tempo-30 einsetzt. Die Deutsche Umwelthilfe nennt die Reform des StVG „ambitionslos“ und kritisiert, dass damit „die Dominanz des Autos in Städten“ fortgeschrieben werde.

European Declaration on Cycling

Initiative der EU-Kommission:
Radverkehrserklärung der EU vorgestellt

Am 4. Oktober wurde in Sevilla von der EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean eine Initiative der EU-Kommission vorgestellt, mit der die EU Neuland betritt: Eine Erklärung zum Radverkehr in Europa. Das 12-seitige Dokument wurde dem Europäischen Parlament zugeleitet und wird dort und im Rat weiter diskutiert werden. Ziel ist eine Verabschiedung bis zum Ende des Jahres.

In der Erklärung geht es um Grundsätze zur Förderung des Radverkehrs in Europa. Sie enthält 36 Punkte zu den Bereichen Infrastruktur, Finanzmittel, Stärkung der Fahrradindustrie, Förderung des Zweiradtourismus und Datenerhebung zum Radverkehr. Die Erklärung findet sich hier
 
Die Verkehrskommissarin wies bei der Vorstellung darauf hin, dass 9% der Verkehrstoten in der EU Radfahrende sind. Weiterhin lenkte sie die Aufmerksamkeit auf die große Zahl hochwertiger Arbeitsplätze, die in enger Verbindung mit der Fahrradwirtschaft stehen. Für die EU ist der Radverkehr ein wichtiger Bestandteil in ihrem Green Deal. Wörtlich heißt es „Diese Erklärung erkennt das Radfahren als eine der nachhaltigsten, zugänglichsten und inklusivsten, kostengünstigsten und gesündesten Formen der Fortbewegung und Freizeitgestaltung an sowie seine zentrale Bedeutung für die europäische Gesellschaft und Wirtschaft."

Die EU-Initiative wurde von den deutschen und europäischen Fahrradverbänden einhellig begrüßt. ADFC, Zukunft Fahrrad und ZIV veröffentlichten dazu eine gemeinsame Pressemitteilung
 
Auch die europäischen Verbände CIE, ECF und Conebi finden lobende Worte für den Vorschlag zur Radverkehrserklärung.
Fahrradmarkt Niederlande





Unsere europäischen Nachbarn:
Marktentwicklung Niederlande

Wer über „Holländische Verhältnisse“ spricht, meint zumeist die vorbildliche Radverkehrsinfrastruktur in den Niederlanden sowie die attraktiven Städte mit hoher Aufenthaltsqualität – und ja: Zwischen beiden Punkten besteht eine Kausalität. Doch nicht nur in der Verkehrspolitik gehen die Niederlande eigene Wege, auch der Fahrradmarkt weist interessante Besonderheiten auf. 17,5 Millionen Niederländer haben im letzten Jahr 855.000 Räder gekauft. Der E-Bike-Anteil davon liegt bei 57% - ein Spitzenplatz in Europa. Der Gesamtumsatz beträgt rund 1,5 Milliarden Euro.

Niederländer nutzen ihre Fahrräder und E-Bikes intensiv im Alltag und auf dem Weg zur Arbeit und Schule/Ausbildung. Das mag ein wenig den mit 85% extrem hohen Anteil an urbanen Modellen bei den Pedelecs erklären. Bei unmotorisierten Fahrrädern sind es immerhin auch noch 50%. Insgesamt sind die Niederländer sehr traditionsbewusst und pragmatisch. So ist das wartungsarme „Hollandrad“ ohne viel Schnickschnack nach wie vor sehr populär. Gekauft wird zu 75% im Multimarken-Fachhandel vor Ort, das Netz ist dicht geknüpft. Andere Läden teilen sich die restlichen 25%. Der Online-Anteil ist gering.

Holländische Marken wie Gazelle, Batavus oder Sparta haben im Land eine große Strahlkraft. Daneben gibt es aber auch viele kleinere und mittlere Hersteller, die durch moderne Designs besonders beim jungen Publikum punkten. Abo-Fahrräder wie der Pionier Swapfiets sind unter Student*innen sehr beliebt. Auffällig beim Gang durch niederländische Städte ist auch die weite Verbreitung von Transporträdern – viele davon aus einheimischen Manufakturen – und das sehr gering verbreitete Tragen von Fahrradhelmen.

Eine Besonderheit der Fahrradwirtschaft in den Niederlanden ist, dass zwei der weltweit einflussreichsten Fahrradkonzerne hier beheimatet sind: Pon und Accell. Daher spielt das „kleine“ Holland in der Fahrradwelt eine nicht unbedeutende Rolle.

Quelle (Website auf Niederländisch)

Informationsdienst Fahrradwirtschaft exklusiv:

3 Fragen an ...

Andrea Groll und Jürgen Fuchs (fahrrad fuchs)
Andrea Groll und Jürgen Fuchs, Inhaberin/Inhaber fahrrad fuchs ebike erlebniswelt, Groß-Gerau (Hessen)
IFW: Die Zeit der Pandemie war für den Fachhandel wegen vieler Einschränkungen sicher nicht einfach, aber jede Krise bietet auch Chancen und neue Entwicklungsmöglichkeiten. In welcher Weise hat Sie diese Zeit geprägt? Was haben Sie aus den Jahren der Pandemie in die Gegenwart übernommen und in welcher Weise profitieren auch Ihre Kund*innen davon?

AG & JF: Der Anfang war ein Schock für uns: Normalerweise ist man als Unternehmer*in gewohnt, selbst zu entscheiden und zu agieren. Doch nun wurden wir staatlicherseits verpflichtet, unser Geschäft zu schließen, und niemand konnte voraussagen, wie es weiter gehen würde. Das hat bei uns einen Kreativitätsschub ausgelöst. Wir haben überlegt, wie wir den Verkauf kontaktlos organisieren konnten, ohne zum Online-Shop zu mutieren. Also haben wir mit unseren Kund*innen Video-Verkaufsgespräche geführt. Und als unsere Werkstatt wieder öffnen durfte, haben wir unsere Annahme kurzerhand an die frische Luft in die Hofeinfahrt verlegt. So ließen sich kontaktfrei Probefahrten organisieren und Verkäufe abwickeln.
 
Die Werkstatt-Annahme über den Hof haben wir beibehalten. Das entzerrt im Laden enorm und ist für alle Seiten angenehm. Das gilt auch für Terminvereinbarungen für Beratungen. Unser Personalbedarf ist nun besser planbar und unseren Kund*innen erhalten in ihrem Zeitslot unsere volle Aufmerksamkeit.

IFW: In den Corona-Jahren war die Nachfrage nach Fahrrädern und E-Bikes enorm. Inzwischen ist der Boom von 2020/2021 eher in eine Phase der Normalität auf hohem Niveau übergegangen. Mit welchen Problemen hatte der Fachhandel 2023 besonders zu kämpfen und wie sehen Sie Ihre Perspektiven?

AG & JF: Statt Mangelware gibt es nun Überhänge fast in der gesamten Branche. Viele haben sich durch den Boom mitreißen lassen und bestellt als gäbe es kein Morgen mehr. Als sich die Lieferketten dann wieder normalisiert hatten und Ware wieder verfügbar war, füllten sich die Lager, ohne dass der Verkauf in der gleichen Weise wie 2021/22 weiterging. Durch Energiekrise und Inflation war selbst die gut betuchte Kundschaft zurückhaltend. Das führte im Sommer zu regelrechten Rabattschlachten. Wir erwarten eine Normalisierung erst zum nächsten Frühjahr. 
Ein aktuelles Problem ist durch höhere Finanzierungskosten und Provisionen des Handels an die Leasinggeber entstanden. Das setzt unsere Marge unter Druck, die wir aber brauchen, um gute Arbeit zu leisten und angemessene Löhne zu zahlen. Jetzt nutzen wir die Zeit der relativen Verkaufsberuhigung, um den Laden zu renovieren und neue Konzepte zu entwickeln. Dafür war in den rasanten Jahren 21/22 kaum Zeit. 
 
IFW: Früher haben Fahrradläden einfach nur Fahrräder verkauft und repariert. Ihr Konzept geht darüber deutlich hinaus, Sie verstehen sich auch als gesellschaftlicher und politischer Akteur. Wie sehen Sie die Zukunft von Fahrradgeschäften? In welche Richtung sollten sie sich entwickeln?

AG & JF: Die Entwicklung vom Fahrradgeschäft zum Mobilitäts-Dienstleister hat längst begonnen. Menschen, die ihr eBike häufig im Alltag nutzen oder Familien, die ihr (Zweit-)Auto abgeschafft haben, erwarten neben dem hochwertigen Fahrzeug auch eine individuelle Betreuung. Da wir Expert*innen für Auto-lose Mobilität sind, können wir wertvolle Tipps geben vom Kindertransport im Cargobike über die Verknüpfung von Rad und ÖPNV bis hin zu Reisemöglichkeiten. Das Interesse an der Transformation hin zu nachhaltiger Mobilität ist groß, wir können den Leuten zeigen, wie das geht. 

Schon jetzt kommen viele eBikes neben dem Laden-Verkauf über Dienstrad-Leasing oder Abomodelle in den Markt. Unsere Werkstatt-Leistung wird zunehmend durch Versicherungen bezahlt, leider mit viel Verwaltungsaufwand. Unsere Arbeit verändert sich stark. Das macht unsere tolle Branche aber auch für neues Personal attraktiv:  Vom Mediendesign über Mechatronik bis zur Buchhaltung ist vieles im eBike-Geschäft gefragt.

Kurzmeldungen

Vakanz
Kopf des Monats
Wir hätten Ihnen gerne ein Gesicht gezeigt, aber nachdem Anfang Oktober die seit 2018 berufene Radverkehrsbeauftragte des Bundesverkehrsministeriums, Karola Lambeck, innerhalb des Ministeriums neue Aufgaben übernommen hat, ist die Funktion vakant. Das ist einerseits schade, weil Frau Lambeck nach allgemeiner Einschätzung ihre Aufgabe sehr gut gemeistert hat, aber auch deshalb, weil die Interessen des Radverkehrs innerhalb des BMDV nun nicht mehr so prominent vertreten sind. Aber wer weiß? Vielleicht können wir Ihnen schon im nächsten IFW-Newsletter ein neues Gesicht präsentieren?
GfK-Logo
Konsumklima
Keine guten Aussichten: Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) prognostiziert für den Monat November ein weiter sinkendes Konsumklima (minus 28,1 Punkte; Vormonat: minus 26,7). Zwar hatte sich die Inflation zuletzt etwas abgeschwächt, aber eine steigende Sparneigung der Verbraucher*innen und eine sinkende Einkommenserwartung führen dennoch zu einer deutlichen Kaufzurückhaltung.
Überbestände im Lager
Zahl des Monats
67% aller Teilnehmenden der Branchenumfrage des Magazins Velobiz erwarten für 2024 „ein weiteres angespanntes Jahr im Fahrradhandel“ und nur jeder Dritte geht von einem „weitgehend normalisierten Fahrradgeschäft“ aus. (Dabei gibt es etliche Stimmen, die zumindest eine leichte Besserung der Situation „im Laufe des Jahres 2024“ erwarten. Das Wetter spielt für die Fahrradkonjunktur ja immer eine Rolle, dies dürfte im kommenden Frühjahr jedoch in besonderer Weise der Fall sein.
Bild des Monats
Bild des Monats: Ästhetik pur. Erinnern Sie sich? Früher war ein edles Steuerkopfschild die Visitenkarte einer jeden Fahrradmarke. Sie war der Stolz des bzw. der Besitzer*in und wurde gepflegt und geputzt, damit es jede*r sehen konnte. Inzwischen sind Steuerkopfschilder aus der Mode gekommen (oder den Sparzwängen zum Opfer gefallen). Dieses haben wir in einer kleinen Fahrradmanufaktur in Amsterdam entdeckt – und wollen Sie damit erfreuen!

Termine

  • Einen Parlamentarischen Abend veranstaltet der Verband Zukunft Fahrrad am 15. November in Berlin. Die Veranstaltung steht unter dem Motto „Die Fahrradwirtschaft in Deutschland: traditionell innovativ“.

  • Vom 28.-30. November findet in München die Sportmesse ISPO statt. 

  • Die aktuelle Sitzungswoche läuft, die nächste schließt sich dann gleich an vom 13.-17. November. Weitere Sitzungswochen des Deutschen Bundestags sind vom 27. November - 1. Dezember und vom 11.-15. Dezember. Die nächste Sitzung des Bundesrats ist am 24. November.
  • Der nächste Newsletter Fahrradwirtschaft Insight erscheint am 12. Dezember.

Team Fahrradwirtschaft Insight

Team Fahrradwirtschaft Insight
Herausgeber des Newsletters ist Albert Herresthal. Durch seine langjährige Tätigkeit als Geschäftsführer des Verbund Service und Fahrrad (VSF e.V.) ist er mit den relevanten Köpfen aus Politik, Verwaltung und Fahrradwirtschaft bestens verbunden. Er ist für das Konzept und die inhaltliche Ausgestaltung verantwortlich.

Auch Hendrikje Lučić (Mitte) verfügt über langjährige Erfahrung in der politischen Arbeit. Seit 2021 verantwortet sie die Politische Interessenvertretung beim Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie (BSI). Sie ist für die inhaltliche und strategische Ausgestaltung des Newsletters mitverantwortlich.

Anne Kreidel ist Fundraiserin und hat lange im Marketing und in der Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet. Sie ist in Unternehmen, in Fahrrad- und Kulturorganisationen tätig. Im Team Fahrradwirtschaft Insight übernimmt sie die Umsetzung und den Versand des Newsletters.
Fotonachweise in der abgebildeten Reihenfolge: 1. VanMoof Website, 2. Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, 3. pd-f / Ortlieb, 4. pd-f / Hanna Retz, 5. European Commission, 6. Pexels / Airam Dato-on, 7. Groll/Fuchs, 8. Freepik, 9. GfK Website, 10. Daniel Hrkac, 11. Herresthal / IFW, 12. Teamfoto: Antonia Richter
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